Suizidprävention in den Vordergrund stellen

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 das Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe aufgehoben, das der Deutsche Bundestag im Jahr 2015 fraktionsübergreifend mit großer Mehrheit beschlossen hatte. Vor wenigen Tagen, am 21. April fand eine Orientierungsdebatte statt, die sich mit dem Urteil und einer möglichen gesetzlichen Neuregelung befasste. In meiner Rede habe ich betont, dass der Gesetzgeber und die Gesellschaft laut Bundesverfassungsgericht eindeutig legitimiert bleiben, einer Entwicklung entgegenzutreten, an deren Ende sich der assistierte Suizid als normale Form der Lebensbeendigung insbesondere für alte und kranke Menschen etablieren könnte. Ich will einer solchen Entwicklung ganz entschieden entgegentreten.

Suizidgedanken in menschliche Begegnungen und Beziehungen bringen

In Deutschland sterben jährlich etwa 10.000 Menschen den Suizidtod. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Suizidversuche etwa beim 10- bis 30-Fachen liegt. Von denen, die einen Suizidversuch überleben, unternehmen circa 90 Prozent keinen zweiten Versuch. Deswegen steht ganz im Vordergrund unserer Aufgabe, die Suizidprävention so zu organisieren, dass die Zahl der Suizidversuche sinkt und Suizidgedanken frühzeitig zur Sprache kommen. Denn Suizidalität, der Wunsch dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, entwickelt sich in menschlichen Beziehungen und verändert sich auch durch Erfahrungen in solchen Beziehungen. Suizidalität ist in aller Regel kein beständiger psychischer Zustand. Auch Suizidprävention ist ein kommunikativer Prozess, der sich in Begegnungen, in Beziehungen und in menschlichem Miteinander entwickelt. Die Einschränkung der medialen Verbreitung von Suizidmethoden und Anleitung hat nachweislich suizidpräventive Effekte.

Freie Willensentscheidung schützen

In der Orientierungsdebatte erkannten viele Rednerinnen und Redner in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine erstaunliche Aufwertung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben, die einen neuen gesellschaftlichen Erwartungsdruck entstehen lassen könnte. Deshalb komme dem Staat eine Pflicht dahingehend zu, besonders verletzliche Gruppen vor inneren und äußeren Einflüssen auf die Freiheit ihrer Willensentscheidung zu schützen. Vor allem ältere und kranke Menschen dürfen sich keineswegs verleitet oder gar gedrängt fühlen, sich das Leben zu nehmen, um anderen in ihrem Umfeld nicht zur Last zu fallen. Es ist richtig, dass der Staat niemandem den Eindruck vermitteln darf, überflüssig und nicht mehr gewollt zu sein.

Kein Anspruch auf Hilfe bei der Selbsttötung

Der Zugang zum assistierten Suizid darf unter gar keinen Umständen leichter sein als der zur palliativen Versorgung, zu fürsorgender Pflege oder zur Psychotherapie. Es darf kein Anspruch auf Hilfe bei der Selbsttötung gegenüber staatlichen Stellen oder Dritten entstehen, insbesondere nicht gegenüber Ärztinnen und Ärzten. In den interfraktionellen Beratungen, die bereits begonnen haben, wird deshalb zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen man überhaupt von einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung sprechen kann und an welche Verfahren die Feststellung einer solchen Situation zu knüpfen ist. Eine parlamentarische Neuregelung bedarf in meinen Augen noch etlicher Debatten und kann nicht mehr in den verbleibenden Sitzungswochen des Deutschen Bundestages bis Ende Juni erfolgen.

Hier finden Sie eine Rede zu diesem Thema von Rudolf Henke im deutschen Bundestag

Dieser Artikel erscheint auch in der CDU-Kompakt, der Mitgliederzeitschrift der CDU-Aachen. Autor ist Rudolf Henke, MdB, weitere Informationen über ihn finden Sie hier